BEZIRK. Die Anspannung gegenüber sogenannten Listenhunden steigt. Auch im Bezirk. Wir sprachen mit Tierärztin Silke Mlejnek und Hundebesitzerin Bibiana Vlasak
Listenhunde – wie siehst du die Thematik als Tierärztin?
Es sollte sie einfach nicht geben! Nicht die Listenhunde sondern die Rasselisten!!! Diese Listen sind vollkommener Schwachsinn, wie auch eine Studie der Vetmed Uni Wien erst kürzlich bewiesen hat. Rassen wie der Kangal, der Rhodesian Ridgeback, der Dobermann, der Beauceron, der Schäferhund, der Malinois, etc. stehen ALLE nicht auf diesen Listen und sind auch große schwere Hunde, welche Menschen natürlich auch lebensbedrohlich verletzen könnten. Man erinnere sich nur an den tödlichen Zwischenfall, bei welchem ein Soldat von 2 belgischen Schäferhunden getötet worden ist. Komischerweise hat nach dieser tragischen Attacke niemand ein Verbot dieser Rasse, welche wirklich nur in erfahrene Hände gehört, gefordert. Warum jetzt also? Wer entscheidet das? Reine Willkür in meinen Augen und völlige Diskriminierung gegenüber Stafford, Pit Bull, Bullterriern und Co. Meine erste Hündin war ebenfalls ein Listenhunde-Mädchen nach heutigem Stand und mit Abstand der bravste Hund, den ich kannte. Angst musste man vor ihr nie haben, ganz im Gegenteil sie hat sich vor allem und jedem gefürchtet. Als wir sie einmal geröntgt haben, wussten wir dann auch wieso, sie wurde in ihrem Vorleben (sie kam mit 1 Jahr zu mir aus dem Tierschutz) von Menschen schwer misshandelt und angeschossen (das Projektil steckte sogar noch in der Schultermuskulatur). Und selbst dieser Hund hat den Glauben zurück in die Menschheit wieder gefunden!
Was ist deine Meinung, warum der Hund zugebissen haben könnte?
Dieser Vorfall in OÖ war wirklich ein tragischer und ist natürlich absolut zu bedauern. Da ich selber nicht dabei war, kann ich nur Mutmaßungen anstellen, mehr steht mir auch nicht zu. Zu so einem Geschehen gibt es immer eine Vorgeschichte. Dass ein Hund, welcher eine BH-VT Prüfung hatte (man erinnere hier an den Verkehrsteil, bei welchem Jogger, Radfahrer, Menschengruppen, etc. vorkommen), sogar angeblich von einem Leistungsrichter mit „zu niedrigem Aggressionspotenial“ betitelt wurde, plötzlich derart umschlägt und in den Kampf- bzw. Tötungsmodus geht, dazu muss es eine Vorgeschichte geben. Dies passiert in der Regel nur, wenn der Beschützer Instinkt einsetzt (Verteidigung von Artgenossen, dem Frauchen/Herrchen oder des eigenen Lebens). Reine Aktivierung des Beuteverhaltens durch vorbeilaufende Joggerin erklärt mir das einfach nicht, denn das kannte dieser Hund. Aber wie gesagt, wir waren leider alle nicht dabei und können bis heute nur Mutmaßungen anstellen. Laut Hören Sagen hat das Opfer die Hunde schon des Öfteren im Vorfeld mit Steinen beworfen. Womit natürlich auch nicht dieser tragische Ausgang zu rechtfertigen ist. Es hätte einfach nicht passieren dürfen.
Welche Rasse beißt am häufigsten zu?
Das ist eine sehr gute Frage! Keine einzige, die auf diesen Listen steht!!! Gerade diese „Listenhunde-Rassen“ sind Rassen mit einer sehr hohen Reizschwelle, sprich so einen Hund aus der Ruhe zu bringen, da gehört schon viel dazu. Auch bei mir in der Ordination sind das die bravsten Hunde. Ich kann mich gar nicht mehr erinnern, wann ich zuletzt einem „Listenhund“ wirklich einen Maulkorb zwecks Untersuchung rauf geben musste. Aber ich weiß genau, welchem Chihuahua bzw. welchem Dackel nicht zu trauen ist! Da jetzt auch wieder der Schutzhundesport stark in die Kritik durch diesen Vorfall gekommen ist, auch ein Satz dazu: ein richtig aufgebauter (Beute-/Spieltrieb) sportlich geführter Schutzhund steht absolut in der Hand des Hundeführers/der Hundeführerin und war bei mir in der Ordination auch noch nie ein Problem. Diese Hunde kennen einfach Befehle, wissen diese zu befolgen und besitzen ebenfalls eine sehr hohe Reizschwelle. Mehr Sorge bereiten mir hier jene Hunde, die keine oder falsche Sozialisierungen durchlebt haben, im Schutz gearbeitet werden bevor sie Gehorsam perfekt beherrschen bzw. Hunde, die gar nicht gearbeitet werden!!! Unterforderung ist eines der schlimmsten Dinge, die man seinem Hund als Besitzer antun kann. Chronische Unterforderung kann auch in Frustrationsaggression umschlagen / enden.
Was empfiehlst du Listenhunde Besitzern?
· Dass was ich allen Hunde Besitzern empfehlen würde: sich vor dem Kauf / der Anschaffung eines Hundes genau zu überlegen, ob man genug Zeit hat bzw. aufbringen möchte für die Erziehung, Sozialisierung und Beschäftigung. Explizit „Listenhunde“ Besitzern möchte ich sagen, dass sie Diskriminierungen mit Ignoranz begegnen sollen, denn die Leute wissen es einfach nicht besser! Jeder Hund sollten in seinem Leben zumindest 1mal einen Hundekurs besucht haben. Diese Kurse helfen vor allem uns Besitzern dabei, unsere 4-beinigen Freunde besser verstehen und lesen zu lernen! Da gibt es keine „der Hund ist ja schon zu alt, der lernt das doch nicht mehr“ … kein Hund ist zu alt zum lernen, jeder Hund will beschäftigt werden. Meine jetzige Hündin (ein Dackel-Terrier-Mix, 10 Jahre) hat den größten Spaß immer noch beim Breitensport bzw. bei der Hundestaffel (Gruppenunterordnungstraining). Beschäftigung ist einfach das wichtigste – für uns und unsere Hunde!
Was regt dich hierbei am meisten auf?
Dass es wieder eine Anlassgesetzgebung geben wird und dass ein einziger tragischer Vorfall wieder die komplette Diskriminierungsschiene für alle „Listenhunde“ ins Laufen gebracht hat. Gerade American Staffords sind die liebsten Hunde, werden in den USA sogar „nanny dogs“ genannt, weil sie perfekt auf den menschlichen Nachwuchs aufpassen. Am allermeisten regt mich hierbei auf, dass dadurch auch wieder mehr „Listenhunde“ in Tierheimen (tw davor angebunden) abgegeben worden sind bzw. es für die schon vor dem Vorfall im Tierheim sitzenden „Listis“ jetzt noch viel schwerer bis unmöglich wird ein Zuhause zu finden. Diese Hunde leiden, weil wir Menschen einfach nur dumme Gesetze bzw. Listen machen … als ob uns die Geschichte nicht eines besseren belehrt hätte haben sollen
Auch mit Kampfschmuser Beitzerin Bibiane Vlasak sprachen die Regionalmedien. Sie besitzt auch einen sogenannten Listenhund namens Odin vom Kikisberg. Dieser entstammt eine österreichischen Zucht.
Wie regieren die Leute auf deinen Hund bzw mit was musst du dich zur Zeit rumschlagen?
Ich musste mich Gott sei Dank noch nie mit unangenehmen Situationen, ausgelöst durch meinen Hund, auseinander setzen! Wir bewegen uns aber auch überwiegend in der Natur, wo wir kaum auf andere Menschen treffen! Zuhause hat unser Hund durch 1,5 Hektar Eigengrund ausreichend Möglichkeit sich auszutoben. Der Urlaub mit Hund findet ausschließlich in Bundesländern statt, wo es keine Rasseliste und demnach auch keine Diskriminierung gibt! Im letzten Salzburg-Urlaub wurden wir sogar einige Male auf unseren hübschen und gut erzogenen Hund angesprochen.
Würdest du deinem Hund sowas zutrauen?
Ich würde es meinem Hund aus den diversesten Gründen nicht zutrauen. Letztendlich bleibt es aber ein Tier mit 42 Zähnen. In bedrohlichen Extremsituationen gibt es keine Garantie. Aber die gibt es bei uns Zweibeinern auch nicht
Wie ist deine Meinung dazu?
Meine persönliche Meinung: Ich bedauere diesen Vorfall in Oberösterreich zutiefst, möchte mich dazu aber nicht weiter äußern da die näheren Umstände eigentlich nicht bekannt sind! Nur ein persönliches Beispiel möchte ich noch anbringen: ich bin diplomierte Gesundheits-und Krankenpflegerin und habe vor einigen Jahren in der Hauskrankenpflege gearbeitet. Während eines Einsatzes (ich war noch nicht am Privatgrund der zu Betreuenden sondern erst am Gehsteig am Weg dorthin) kam es zu einem unangenehmen Zwischenfall mit dem Familienhund der Klienten. Nur der beherzte Rückzug in mein Dienstauto bewahrte mich vor Schlimmerem. Der Hund stand aufgrund der Rasse auf keiner sogenannten Liste. Er war auch nicht sonderlich gut erzogen. Was ich damit ausdrücken möchte: eine Rasseliste und eine erhöhte Hundesteuer bewahren nicht vor Übergriffen ich glaube, es ist wie bei vielen Dingen eine Grundsatzentscheidung ob ich einen Hund angemessen trainieren, auslasten und somit auch alltagsfähig machen kann und will. Hunde machen Arbeit und kosten nicht nur Zeit sondern auch Geld.
Dein Fazit?
Mein Fazit: Für mich ist mein American Staffordshire Terrier nicht nur der perfekte Begleiter im Alltag rund um Haus und Hof, er ist unser geliebter Familienhund, Seelentröster, Schmusebär und eine richtige Schnarchnase, zugleich aber auch ein sensitiver Wachhund der sein Territorium jederzeit gut im Überblick hat. Als Listenhundebesitzerin gehe ich übrigens einer geregelten Arbeit nach. Ich war noch nie arbeitslos, ich bezahle Steuern, kam noch nie mit dem Gesetz in Konflikt und fühle mich auch sonst nicht irgendwie asozial oder auffällig. Ich finde es sehr schade dass diese Rasse so durch den Dreck gezogen wird. Es sind wunderbare und sehr feinfühlige Tiere. ich würde mir meinen Hund nie schlecht reden lassen-wer das tut, hat einfach keine Ahnung.
Author: Steven Sandoval Jr.
Last Updated: 1702320722
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Name: Steven Sandoval Jr.
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Job: Journalist
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